WINDHAGEN-JOHANNISBERG, 26. Juni 2013. Seit nunmehr drei Jahren arbeitet die Albert-Schweitzer-Schule (ASS) in Asbach mit dem Zentrum für Therapeutisches Reiten Johannisberg e.V. zusammen. Die Schule ist eine Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen. Sie wurde speziell für Kinder und Jugendliche eingerichtet, die einer besonderen Förderung bedürfen. Jedes Jahr nehmen sechs bis acht Schülerinnen und Schüler der ASS im Alter von sechs bis zehn Jahren an der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd teil. Vom Schulbeginn im August bis zu den darauf folgenden Sommerferien besuchen sie im Rahmen der Nachmittagsbetreuung einmal pro Woche für zwei Stunden die Reitanlage in Windhagen. Für das gerade ablaufende Schuljahr war es den Organisatoren erstmals gelungen, das Institut für Heilpädagogik der Universität Köln für eine wissenschaftliche Evaluation des Projektes zu gewinnen. Jetzt wurden die Ergebnisse in Windhagen vorgestellt.
Über einen Zeitraum von fünf Monaten (Dezember bis April) begleitete Studentin Julia Wiesler aus Köln die sechs Jungen und Mädchen der ersten bis dritten Klasse der ASS. Zuvor hatte sie in Abstimmung mit ihren Professoren ihre Methodik entwickelt: „Unsere zentrale Fragestellung lautete: Wirkt sich das Heilpädagogische Reiten bzw. die Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd positiv auf das Sozial- und Lernverhalten von Schülern mit dem Förderschwerpunkt Lernen aus?“ Bei ihrer Untersuchung analysierte sie zum einen das Verhalten der Kinder während der Therapiestunden, darüber hinaus aber auch per Fragebogen an die Lehrer das Verhalten der Kinder in der Schule. Dazu setzte sie den strukturierten Beobachtungsbogen des German Research Center for Equine Assisted Therapy (GREAT) und eine wissenschaftlich anerkannte Lehrereinschätzliste für Sozial- und Lernverhalten ein. Dabei stellte sie besonders sozial-emotionale sowie kognitiv-kreative Kompetenzen und beim Lernverhalten „Anstrengungsbereitschaft und Ausdauer“, „Konzentration“, „Selbstständigkeit beim Lernen“ und „Sorgfalt beim Lernen“ in den Mittelpunkt und dokumentierte die Entwicklung der Schüler zu mehreren Beobachtungszeitpunkten während des Projektes.
Während des Projektes wurden die Kinder wie gewohnt in zwei Gruppen aufgeteilt. Während die eine Gruppe an der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd teilnahm, wurde die zweite Gruppe in der Trakehner Stube der Reithalle betreut. Nach einer Stunde erfolgte der Wechsel. „Die kleine Gruppengröße und das Zeitfenster von 60 Minuten erlauben eine gezielte individuelle Förderung über das Medium Pferd und bieten den Schülern einen Rahmen in ruhiger Arbeitsatmosphäre“, erklärt Marion Drache, die Vorsitzende des Vereines. „Im Vordergrund steht auch nicht die reitsportliche Ausbildung, sondern der spielerische Umgang mit dem Pferd. Es handelt sich um eine ganzheitliche Förderung der Persönlichkeit.“
„Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei allen sechs Schülern bereits während des kurzen Beobachtungszeitraumes ein positiver Entwicklungsverlauf bezüglich der sozial-emotionalen und kognitiv-kreativen Kompetenzen zu erkennen war“, so Wiesler. „Damit ist die Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd grundsätzlich zur Förderung des Sozial- und Lernverhaltens im Förderschwerpunkt Lernen geeignet. Diese Ergebnisse können jedoch zunächst nur auf den Rahmen der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd bezogen werden, das heißt auf Fortschritte während der Therapie-Einheiten.“
In diesem Bereich erfuhren ausnahmslos alle Schüler eine Stärkung ihrer sozialen Kompetenzen. Bei schüchternen und ruhigen Schülern konnte eine Stärkung des Selbstbewusstseins, eine erhöhte Kommunikation sowie eine verstärkte Angstüberwindung gezeigt werden. Bedürfnisse wurden häufiger formuliert und Eigeninitiative ergriffen. Auch die Gruppenzusammengehörigkeit konnte deutlich gesteigert werden. Es wurde Rücksicht auf die anderen Gruppenmitglieder genommen und eigene Bedürfnisse zurückgestellt. Bezüglich der kognitiven Kompetenzen konnte gezeigt werden, dass die Kinder in der Lage waren, sich innerhalb der Einheiten besser zu konzentrieren und Handlungen zunehmend besser planen und durchführen konnten. Im Verlauf des Projektes wurden die Kinder selbstständiger, konnten Zusammenhänge besser verstehen und sich an Orte, Aufgaben und Übungen erinnern.
„Auch wenn die sechs Teilnehmer nur eine kleine Untersuchungsgruppe darstellten, konnten bei allen ähnlich positive Entwicklungen festgestellt werden. Dies lässt darauf schließen, dass sich die vorgestellten Ergebnisse auch auf andere Schüler im Förderschwerpunkt Lernen übertragen lassen“, verdeutlicht die angehende Pädagogin. „Inwiefern die positiven Entwicklungen des Verhaltens der Schüler innerhalb der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd auch auf den schulischen Bereich übertragbar sind, konnte in der vorgestellten Untersuchung allerdings noch nicht eindeutig geklärt werden“, schränkt Wiesler ein. „Hierzu wäre eine längerfristige und umfassendere Studie notwendig.“ Die Ergebnisse ihrer Evaluation sind Teil ihrer 1. Staatsprüfung im Department Heilpädagogik – Lehrstuhl Konzeption und Evaluation schulischer Förderung im Förderschwerpunkt Lernen an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln.
Bei dem Projekt der Albert-Schweitzer-Schule Asbach mit dem Zentrum für Therapeutisches Reiten Johannisberg e.V. handelt es sich um eine langfristig angelegte Kooperation. Diese startete im Schuljahr 2010/2011 und wurde im ersten Jahr durch Spenden zum runden Geburtstag von Helmut Schmaus-Gerstenberg aus Buchholz sowie durch Kondolenzspenden zum Tod von Willi Drache, dem Gründer des Vereines, finanziert. Mit Hilfe einer Spende des Lions Club Rhein-Wied konnte die Zusammenarbeit im Schuljahr 2011/2012 gesichert werden, im Schuljahr 2012/2013 übernahm ein Förderer, der ungenannt bleiben möchte, die Kosten. Für das kommende Schuljahr 2013/2014 suchen Schule und Verein bereits jetzt intensiv nach neuen Förderern.